Nikoläuse nach den Sommerferien. Osterhasen fast pünktlich zu Neujahr. Wenn ich mich so umschaue, dann bin ich mit meinem Update zur Nacht der Rübengeister jetzt eigentlich schon zu spät dran. Aber es sind ja auch nur noch wenige Tage hin, bis sich der bekannte Abend vor Allerheiligen auch schon wieder jährt. Von daher kann ich durchaus schonmal vorbauen, da man sich in dieser bald anstehenden Nacht auch immer etwas Gruseliges zu erzählen hat. So folgt hier mal eine überaus schauderhafte Geschichte des Herrn Züchter nach einer wahren Begebenheit.
Wie kann man dem Sahnehäubchen eines perfekten Urlaubs noch die Kirsche aufsetzen? Ist doch klar! Indem man noch ein paar süße Wellensittiche ins Handgepäck schmuggelt. In meinem Fall ist das im Nachhinein eher "unfreudige" Ereignis schon etwas mehr 20 Jahre her. In einem riesigen Außengehege des Züchters meiner Wahl tummelten sich neben den kreischenden Australiern auch noch ein paar zuckersüße Hoppelhäschen und putzige aufgeregte Zwergwachteln. Eigentlich ist das schon ein Indiz dafür, hier keine Wellensittiche zu kaufen. Insbesondere wenn sich die Kleinpapageien mit so vielen vor allem vollkommen artfremden Mitbewohnern eine Parzelle teilen, kann Vorsicht geboten sein. Aber einen super schönen Rasen mit Kontakt zum Erdreich hatten sie auch noch und so viel luftige Freiheit durch das nur mit Draht bespannte Dach. Es war so schön grün und idyllisch, ja beinahe paradiesisch. Aber wie heißt es doch noch so schön, ich war jung und brauchte … unbedingt ein paar neue Wellensittiche und habe alles andere ignoriert, denn ich war total hin und weg bezüglich der frechen munteren Schnabeltiere. Quarantäne war mir durch eine irgendwann mal anstehende Zuchtgenehmigung auch schon damals kein Fremdwort. Aber die Gutgläubigkeit und Ehrfurcht, die ich gegenüber erfahrenen Altzüchtern an den Tag gelegt habe, hat wohl all meine logisch denkenden Partien im Oberstübchen lahmgelegt. Also habe ich die neuen Wellis nach einer ewig langen Heimreise von der Nordseeküste ins Schwabenland gleich freudig in den kompletten Schwarm entlassen und fertig war die Laube bzw. die unumgängliche parasitäre Lebenskrise. Bis ich den unangenehmen Befall letztendlich bemerkte, vergingen Wochen. Die einschneidende Entdeckung machte ich bei meinem Hein aus Ostfriesland. Und dieser normal dunkelgrüne Herr war alles andere als blöd, versuchte er doch den jungen Vogelhalter, der zur damaligen Zeit sowas von schwer von Begriff war, davon zu überzeugen, dass mit ihm etwas überhaupt nicht stimmte. Mit Erstaunen musste ich feststellen, dass aus Heins Hinterteil ein rosafarbener ungefähr zwei Zentimeter langer Fortsatz hing. Habe ich bereits erwähnt, dass ich zu der Zeit noch überaus naiv war, was die Wellensittichhaltung im großen Freiluftmaßstab anging? Hein sah jedenfalls schon äußerlich ganz und gar nicht gut aus. Man denke hier nur an diverse, meist in den Weiten des Weltraums angesiedelte Filmkost, in welcher sich extrem unbefangene Forscher durch überaus ungelenke Aktionen mit irgendwelchen fremdartigen Viren oder Organismen infizieren, nur um dann kurz darauf ganz typisch theatralisch ins Gras zu beißen … nun in meinem Fall erging es hier dem armen Ostfriesen so, nur konnte dieser ja nichts für meine damalige Einfältigkeit … so folgte die Theatralik auf dem Fuße … und der arme Hein war nicht mehr. Schon zu dieser Zeit schaute ich mir die verstorbenen Wellensittiche zumindest mal rein äußerlich an, um vielleicht dahinter zu kommen, warum sie nicht mehr waren. Lange musste ich bei meinem leblosen Hein ja nicht suchen, denn der kleine dünne Fortsatz, der aus seinem Hintern ragte, war ja immer noch da. Also habe ich, ehrgeizig und energisch meinen Forscherdrang begründend, eine Pinzette … die gute aus rostfreiem Stahl … aus dem edlen Maniküren-Besteck meiner ebenfalls über alle Maße vertrauensseligen Oma geliehen, die ihrem lieben Enkel sowieso nichts abschlagen konnte, um dann beherzt mit eben jenem kosmetischen Zangeninstrument an diesem merkwürdigen Etwas zu zerren. Wie war das noch gleich mit den tölpelhaften Entdeckern in den unendlichen Weiten? "Naja, selber Schuld du Möchtegern Herr Züchter," dachte sich mit Sicherheit auch der Wurmfortsatz, bevor diesem die Lampen endgültig ausgingen. Denn das war wieder so ein leichtsinniger Fehler, der mich in den Nächten der darauffolgenden Wochen in albtraumhafte Szenerien versetzen sollte, die ihresgleichen suchten. Ein paar schöne Augenringe aufgrund schlafloser Nächte gab's noch obendrauf. Denn das Geschöpf, das bis zu meinem Auftreten ein sorgloses und entspanntes Leben in Hein geführt hatte, brach durch den Ruck mit der ach so tollen Pinzette urplötzlich ab und verteilte seine letzten Lebenssäfte auf dem ungehobelten Jungspund, der sich bis dato nur wunderte, was Hein denn da für einen komischen Wollfaden gefuttert und wieder ausgeschieden hatte. Ich war in dieser Hinsicht wirklich noch sehr unbefangen und naiv eben. Aber das habe ich, glaube ich vermutlich schonmal erwähnt. Die Leitung in meine Schaltzentrale war zwar ellenlang, aber irgendwann ging mir dann doch noch zumindest ein kleines Lichtlein auf ... nach zweistündigem Dauerhändewaschen und dem Verbrauch eines Jahresvorrats an Desinfektionsmitteln war nämlich auch dem jungen Azubi Züchter in seiner Panik vollkommen klar, dass es sich bei dem ekligen Ding aus dem Hein um einen Wurm handelte. Vielleicht hätte ich mich als Küken auch nicht klammheimlich zur späten Stunde genau der Kategorie an filmischen Werken widmen sollen, welche im jugendlichen Unverstand den Reiz des gruseligen Unbekannten ausmachten und in welchen ein solcher Erstkontakt mit fremdartigem organischen Material ausnahmslos mehr als nur gehörig in die Hose ging. Das hätte mir damals das Leben mit meinem ganz persönlichen Erstkontakt zu dieser mir unbekannten Spezies bestimmt um einiges sorgenfreier gestaltet. Aber etwas Positives hatten diese Filme auch, denn der kindlich blauäugige und überaus standardisierte Berufswunsch des heldenhaften Astronauten, den so viele Jungs nervend mit feuchten Augen an ihre Eltern nörgelnd herantragen, war bei mir nun endgültig vom Tisch und zwar ohne jeden Zweifel. Übrigens sehr zur Freude meiner Erziehungsberechtigen. Ich kannte dazumal jedenfalls einen solchen Wurm maximal in sehr viel größerer gliedrig weißer Variante aus dem Anus einer getigerten Katze durch mein schulisches Tierarztpraktikum oder aus dem heimischen Garten als freundlichen Regenwurm von nebenan. Aber ich kannte doch nicht so ein furchteinflößendes Horrormonstrum, das zu allem Überfluss aus dem unteren Ende meines geliebten Wellensittichs hing und diesen höchst wahrscheinlich auch noch auf dem Gewissen hatte. Die Frage war nur noch, wenn es weder ein Katzenbandwurm noch ein Regenwurm war, um welchen fiesen Vertreter der Wurmlinge handelte es sich hierbei? Also habe ich noch einmal allen Mut zusammengenommen und den Wurm, mit der guten Pinzette von Oma, in ein Glas mit dem Zwetschgenwasser gepackt, das ich seit diesem Tag nie mehr geöffnet habe. Die mehr oder weniger unfreiwillige Sollbruchstelle, die ich dem Wurm durch mein grobmotorisches Verhalten verpasst habe, lässt sich noch heute erkennen. Hier hat sich der Wurm die Jahre über dunkel verfärbt. Der damalige Tierarzt meines Vertrauens war total tiefenentspannt als ich mit zittrigen Händen und noch zittrigerer Stimme das in Schnaps konservierte Stückchen Wurm auf seinen Untersuchungstisch geschoben habe. Hein hatte ich ... blöderweise ... nach dem mir ein Licht aufgegangen war, was ich da denn rektal aus ihm herausgezogen hatte hysterisch entsorgt, indem ich ihn möglichst schnell los werden wollte und diesen deshalb im Sinne guter Träume der städtischen Müllverbrennung anvertraut habe, auch ganz in der gehässigen Annahme der restliche Wurm würde für alle Ewigkeit in der Hölle schmoren für das, was er meinem Hein angetan hatte. Doch mein sehr erfahrener Tierarzt hatte den Hein nicht mehr nötig, brauchte er doch nur einen flüchtigen Blick und brachte es mit dem knappen Ausruf "Spulwürmer" gekonnt auf den Punkt, während ich kreidebleich aufgrund des von ihm verwendeten Plurals zusammensackte. Mehr von diesen schrecklichen Kreaturen? Und Hein soll auch noch voll von denen gewesen sein? Panisch stülpte sich mir bei dem Gedanken der Magen um. Interessanterweise fragte ich mich in einer Art geistiger Ohnmacht jedoch nur noch, ob diese Spulwürmer nun nicht auch noch in mir wohnen … hätte ich mal lieber diese aus heutiger Sicht teils fragwürdigen Eskapaden mit der Flimmerkiste ausgelassen. Denn ich war doch noch viel zu jung um theatralisch den Löffel abzugeben. Und das auch noch unrühmlich auf die ganz grausame Weise mit einem aufgedunsenen Bauch voll ekliger Würmer, die sich gefräßig an meinen Innereien laben würden. An dieser Stelle wird auch klar ersichtlich, dass zu diesem kurzen Zeitpunkt meine Empathie gegenüber meinen Wellensittichen jedenfalls nahezu gegen null tendierte. Eine Schrecksekunde und Sammelkotprobe später kam dann die erlösende fachmännische Versicherung und ein Freudenschrei der Erleichterung meinerseits, dass diese Art der Spulwürmer nur in Vogelwirten überleben können. "Puh, Glück gehabt!" Ganz schön fies den Wellis gegenüber, aber da hat der jugendliche Selbsterhaltungstrieb wohl erneut zugeschlagen und mein mit der Situation völlig überfordertes Hirn in den Stromsparmodus versetzt. Auch konnten die Nachkommen von Heins Wurm in Eiform im Kot zweifelsfrei nachgewiesen werden, was wiederum eine ganze Reihe an unangenehmen Ereignissen nach sich zog. Die Wellensittiche innerlich über das Trinkwasser mit einem geeigneten Rohr- ähm Wurmfrei reinigen, regelmäßiges Putzen und Entfernen der toten ausgeschiedenen Würmer und ein paar unangenehme Träume für den halbstarken Grünschnabel gab es doch tatsächlich nochmal gratis oben drauf. So weit, so gut. Ein Wurmbefall lässt sich problemlos in den Griff bekommen, wenn man ihn rechtzeitig erkennt, was hier glücklicherweise noch der Fall war. Hein konnte ich leider nicht mehr retten, dafür aber alle anderen Wellensittiche. Und ich war um eine Erfahrung in der Wellensittichhaltung reicher, ob ich sie denn nun machen wollte oder nicht.
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